Die Geschichte von der Rettungsmannschaft, die Weihnachten rettete

24. Dezember und das Christkind hatte ein Problem: Die Glitzerstaubflasche war fast leer. Wer glaubt das wäre egal, versteht nicht, wie Weihnachten funktioniert. Denn ohne Glitzerstaub geht gar nichts. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, wie wenn nur noch 40 bar in einer Sauerstoffflasche im Rettungswagen sind. So kann man nicht in den Dienst starten. Für das Christkind am 24.12. kommt es auf das gleiche heraus. Denn zu Weihnachten fliegen die Geschenke ja nicht von alleine in die Wohnungen und Häuser der braven Menschen. Da geht es schließlich um etwas.

Im Rettungsdienst ist das im Vergleich ziemlich einfach: Wenn die Sauerstoffreserven zu Ende gehen, wechselt man die Flasche und holt sich eine volle. Beim Christkind funktioniert das anders. Die Glitzerstaubflasche füllt sich durch die vielen schönen Wünsche und Gedanken, die die Menschen das ganze Jahr über in die Welt setzen. Doch das Jahr war nicht besonders ergiebig. Viele böse Gedanken haben die Welt erfüllt. Populismus, Angst, Gier, Terrorismus und Egoismus griffen um sich. Anstatt schöne Gedanken zu formen, müllten sich die Menschen mit Konsumgütern zu. Anstatt qualitativ wertvolle Zeit mit ihren Lieben zu verbringen, starrten die Menschen in Bildschirme. So viele süße Katzenvideos konnte es gar nicht geben, um die Welt so aufzuhellen, dass Glitzer entstand. Dass da die Glitzerstaubflasche einfach nicht voll werden wollte, war kein Wunder. Und genau das brauchte das Christkind jetzt: ein Wunder.

Glitzerstaubersatz, wo sollte der herkommen? Es war ja nicht so, dass man den einfach im Baumarkt kaufen konnte, so wie Christbäume aus Plastik. Oder als Generikum in der Apotheke. Glitzerstaub ist magisch, drum muss auch sein Ersatz etwas Magisches haben.

Verzweifelt machte sich das Christkind also auf den Weg durch die Welt, um nach Glitzerstaubersatz zu suchen. Denn auch und gerade wenn es schlecht um die Welt stand, musste Weihnachten besonders kräftig glitzern, fand es. Auf dem Weg durch die Welt sah das Christkind Dinge, die es sehr traurig stimmten und an seiner Mission zweifeln ließen. Da war einfach nichts Magisches zu finden.

Wo ist er, der Glitzer dieser Welt? In Kinderaugen, wenn sie sich freuen? Ja, aber der gehört den Kindern. In Sternspritzern am Weihnachtsbaum? Ja, aber die sind chemisch, nicht magisch. Im Schmuck? Ja, aber der ist zu teuer. In Schneeflocken, die das Sonnenlicht reflektieren? Ja, aber Schnee und Eis werden durch die Erderwärmung immer weniger.

Und als das Christkind immer trauriger mit seiner leeren Glitzerstaubflasche über der Erde schwebte, wurde ihm plötzlich bewusst, dass es so war. Weihnachten würde heuer ausfallen. Es war einfach nicht genügend Glitzerstaub da. Betrübt und hoffnungslos sank es zu Boden, kauerte sich auf einen Gehsteig und weinte. Passanten gingen links und rechts vorbei, manche stiegen sogar einfach über das Christkind hinweg und rammten es an seinen zarten, goldenen Flügeln. Vielleicht hatten es die Menschen auch einfach nicht verdient.

Viele Minuten vergingen und dem Christkind war elend zumute. Hatte es versagt? Hatte die Menschheit versagt? Wie konnte man wieder den Glanz der Weihnacht in die Welt bringen und den Glitzerspeicher füllen, damit sich Freude und Dankbarkeit verbreiten konnten? Ratlos blickte es auf seine große leere Glitzerstaubflasche.

Und als es schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, sah das Christkind aus dem Augenwinkel plötzlich etwas, das funkelte und hell leuchtete und sich rasend schnell annäherte. Es war ein Rettungsfahrzeug, das wenige Meter vor dem Christkind anhielt. Die strahlend blauen Lichter erhellten die Dämmerung. Aus dem Fahrzeug sprangen eine begnadete Rettungssanitäterin, ein erfahrener Notfallsanitäter und ein Zivildiener. Sie packten ihre Ausrüstung und näherte sich mit besorgter aber freundlicher Miene dem am Boden kauernden Christkind.

„Hallo, was ist passiert?“ sagte Hermann, Notfallsanitäter der ersten Stunde. Er hatte in seinem Sanitäterdasein schon viel erlebt und zahlreiche Leben gerettet. Jeder Einsatz ist anders, klar, das wusste er. Aber so etwas hatte auch er noch nie gesehen. Als sich Maria näherte, war ihr sofort klar: das ist ein Notfall der anderen Art. Sie griff in den Notfallrucksack und holte eine Aludecke heraus. Die funkelte und glitzerte im Schein des Blaulichts und rang dem Christkind ein Lächeln ab, als es sich darin einhüllte. Die Decke wärmte. Und wie das Christkind am eigenen Leib erlebte, dass es Menschen gab, die einfach da sind, wenn andere in Not geraten, wurde dem Christkind gleich viel wärmer ums Herz.

Der Zivildiener Armin hatte in der Zwischenzeit schon alles vorbereitet für eine genaue Anamnese. Atemweg war frei, die Atmung passte, Puls 77, das Christkind war ansprechbar und klar, hatte keine Einschränkungen in der Bewegung, keine sichtbaren Verletzungen. Blutdruck 110/70, Sauerstoffsättigung 99%, Atemfrequenz 11. Die Pupillen waren unauffällig, keine Schmerzen, keine Allergien, keine Medikamente, keine Vorerkrankungen. Blutzucker 124, Temperatur 35,6. Eine leichte Unterkühlung also. Nicht überraschend bei der Kälte. Essen, Trinken, alles normal. Ratlos blickte er zu Maria und Hermann, die längst begriffen hatten, was los war.

Armin wollte selbst draufkommen und als er verzweifelt nochmals alles durchging, bemerkte er die leere Glitzerstaubflasche, die neben dem Christkind lag. Was auch immer da drin war, es war offenbar nicht genug. Glitzerstaub-Notfall. Gibt es so etwas überhaupt? „Das steht aber nicht in der Ausbildungsmappe, oder?“ murmelt er etwas verlegen. Wieso kannte er das nicht, er hatte doch die Unterlagen in- und auswendig studiert.

Immer noch schaute das Christkind bekümmert zu Boden und als Maria ihr die Hand auf die linke Flügelschulter legte, sprudelte es aus ihm heraus. Die ganze Geschichte. Über Glitzerstaub und das Elend in der Welt und dass Weihnachten dieses Jahr ausfallen musste, weil der Glitzerstaub nicht ausreichte und kein Ersatz aufzutreiben war. Und als das Christkind so erzählte, blickte Hermann grübelnd in Richtung Rettungsfahrzeug, wo immer noch das strahlend blaue Licht den Himmel funkeln ließ.

„Vielleicht,“ meint er nachdenklich, „können wir Dir etwas vom Strahlen unsers Blaulichtes abgeben?“ Und da schoss es dem Christkind. Ja, das war es. Blaulicht glitzert und funkelt und es zeigt an, wenn Hilfe unterwegs ist. Das macht Blaulicht magisch.

Jetzt hatte auch Armin begriffen, was bei diesem Notfall zu tun war. Er ging zum Auto und holte einen großen blauen Beutel, stach ihn mit dem Infusionsbesteck an und füllte damit vorsichtig die Glitzerstaubflasche vom Christkind. „Was ist das?“ fragte das Christkind erstaunt. „Blaulichtflüssigkeit,“ antwortet Armin stolz, „das bringt dich auf alle Fälle mit Funkeln und Leuchten durch die Nacht.“ „Und wenn wieder einmal der Glitzer knapp wird,“ ergänzte Maria, „ruf uns einfach an. 144. Wir bringen so viel Gutes in die Welt, dass unsere Blaulichtreserven fast immer voll sind.“

Das Christkind war außer sich vor Freude über diese unvermutete Hilfe. Es bedankte sich mit einem Hauch an Glitzerstaub, der die drei Rettungskräfte und das Fahrzeug noch für viele Jahre magisch in einem goldenen Schimmer erleuchten ließ, schnappte seine angefüllte Glitzerstaubflasche und flog davon. Mit der Rettungsdecke als Umhang sah es fast aus wie Superman. So konnte man das Christkind noch einige Zeit lang am Himmel freudige Kurven drehen sehen.

Das ist die Geschichte von der Rettungsmannschaft, die den Glitzer und das Funkeln der Weihnacht rettete. Aus Liebe zum Christkind und zur Menschheit.

Und wenn ihr heuer zu Weihnachten einen blauen Schimmer am Himmel seht, wisst ihr, dass das Christkind mit Blaulichtflüssigkeit in der Glitzerstaubflasche unterwegs ist, um Geschenke, Freude und Hilfsbereitschaft in die Welt zu tragen.

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